Autos haben sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Was früher ein mechanisches Fortbewegungsmittel war, ist heute ein rollender Computer – ausgestattet mit Sensoren, Kameras, Mikros, GPS, SIM-Karte und Software, die Daten in Echtzeit versendet. Sicherheit, Komfort, Konnektivität – so lauten die Verkaufsargumente. Doch was steckt wirklich dahinter?
Telematik-Steuergeräte / Connectivity-Module mit fest verbauter SIM-Karte
Seit etwa 2012 werden in vielen modernen Fahrzeugen sogenannte Telematik-Steuergeräte oder Connectivity-Module verbaut, die unter anderem eine fest verbaute SIM-Karte enthalten. Die SIM ist meist in einem fest verbauten Telematik-Steuergerät, das sich an verschiedenen Stellen befinden kann, z. B.: im Armaturenbrett, unter dem Beifahrersitz, im Kofferraum (z. B. bei BMW oder Mercedes), unter dem Dachhimmel nahe der SOS-Taste, sie ist nicht leicht zugänglich und oft mit dem Steuergerät verlötet oder fest integriert.
Die SIM-Karte bzw. das Telematik-Modul darf man rechtlich gesehen nicht ohne Weiteres entfernen. Das Telematiksystem ist oft integraler Bestandteil der Fahrzeugzulassung, besonders wegen des eCall-Systems. Das manuelle Deaktivieren oder Entfernen könnte: die Betriebserlaubnis gefährden, im Ernstfall als Manipulation ausgelegt werden, ggf. zu Haftungsproblemen im Unfall führen (z. B. kein eCall aktiviert).
Funktionen der fest verbauten SIM-Karten:
- eCall-Notrufsystem
- Seit April 2018 in der EU verpflichtend für alle neuen Fahrzeugtypen.
- Erkennt einen schweren Unfall und wählt automatisch den Notruf (112) mit Standortdaten.
- Telematik- und Remote-Dienste
- Fahrzeugortung bei Diebstahl
- Ferndiagnose und Service-Informationen an den Hersteller
- „Over-the-Air“-Updates fürs Navi, Software usw.
- Infotainment & Komfortdienste
- Live-Verkehrsdaten, Musikstreaming, WLAN-Hotspot usw.
Die meisten Kfz-Versicherer schreiben den Erhalt der serienmäßigen Sicherheitssysteme vor. Bei Telematik-Tarifen (Pay-as-you-drive) ist die SIM sogar Teil der Tarifvereinbarung. Die Manipulation kann zum Verlust des Versicherungsschutzes führen – besonders bei Diebstahl.
Fahrzeuge senden oft ständig Standort-, Bewegungs- und Nutzungsdaten an den Hersteller. Diese Daten werden nicht immer anonymisiert. Rechtlich ist dies problematisch, und es gab schon Verfahren (z. B. gegen BMW, Mercedes, VW). Abschalten ist meist nicht vorgesehen – und wird technisch erschwert.
Was kann man also tun? Einige Hersteller bieten im Kundenportal (z. B. Mercedes me, BMW ConnectedDrive) eine Abschaltung einzelner Dienste an. Bei geleasten oder finanzierten Fahrzeugen: Vertrag prüfen, ob Deaktivierungen erlaubt sind. Man kann ggf. einen Telematik-freien Tarif oder eine Deaktivierung beantragen – ist aber oft nur eingeschränkt möglich.
Viele neue Fahrzeuge verfügen mittlerweile über bis zu 10 oder mehr Kameras: Innenraumüberwachung, Rückfahrkameras, 360°-Rundumsicht, Spurassistenten, Müdigkeitserkennung, Abstandsmessung. Hinzu kommen Mikrofone für Sprachsteuerung, Fahrerverhaltenserkennung und Telemetrie-Sensoren, die jede Bewegung aufzeichnen. Seit etwa 2012 enthalten viele Fahrzeuge eine fest verbaute SIM-Karte, die für Notrufsysteme, Navi-Updates und Service-Informationen gedacht ist – aber eben auch zur dauerhaften Ortung geeignet ist.
Die genaue Anzahl hängt vom Modell und Hersteller ab, aber hier ist ein typischer Überblick bei moderneren Autos:
Außenkameras (meist 4–6):
- Frontkamera (meist in der Windschutzscheibe oder im Kühlergrill verbaut)
- Rückfahrkamera (Standard bei den meisten Fahrzeugen)
- Seitenkameras (unter den Seitenspiegeln oder an den Türen, Teil des 360°-Systems)
- Surround View/360°-Kamerasystem (verwendet 4 Kameras: vorne, hinten, links, rechts)
Innenkameras (2–10 je nach Hersteller):
- Fahrerüberwachungskamera (meist im Armaturenbrett oder hinterm Lenkrad; erkennt Müdigkeit, Ablenkung etc.)
- Passagierüberwachung (z. B. für Airbag-Erkennung, Kindersicherung)
- Kameras für Innenraumüberwachung (z. B. Tesla, BMW, Mercedes – zur Aufzeichnung bei Einbruchversuchen)
- „Babycam“-Features (z. B. Honda Odyssey: Kamera zur Beobachtung der Rückbank)
- Kameras für Gestensteuerung (z. B. BMW)
- Kameras für Face-ID oder personalisierte Einstellungen (z. B. für Sitzposition, Musik, Temperatur)
Zusammenfassung:
Ein aktuelles Mittelklasse- oder Premiumfahrzeug kann zwischen 6 und 12 Kameras haben – in Luxusfahrzeugen oder bei Tesla sogar noch mehr.
Diese Kameras erfassen nicht nur Bilder, sondern liefern Daten für:
- Assistenzsysteme (Autopilot, Spurhaltung, Abstand)
- Sicherheit (Notbremsung, Müdigkeitserkennung)
- Überwachung (Dashcam, Wächtermodus)
- Komfort (automatische Personenerkennung, Einstellungen)
Mit dem Ausbau von 5G wurde die technische Infrastruktur geschaffen, um noch größere Datenmengen in Echtzeit zu übertragen. Und genau das passiert: Dein Auto sendet ständig Informationen – nicht nur an den Hersteller, sondern oft auch an Versicherungen, Werkstätten, Zulieferer und in manchen Fällen an Regierungsbehörden oder private Drittanbieter.
Was viele nicht wissen: Die Kontrolle über diese Daten liegt selten bei dir.
Einige Hersteller behalten sich in ihren AGBs das Recht vor, auf Innenraumkameras und andere Fahrzeugdaten zuzugreifen – angeblich nur zur Verbesserung des Services. Doch wer hat tatsächlich Zugriff auf diese Aufnahmen? Wie lange werden sie gespeichert? Was passiert bei einem Hack? Und wer haftet, wenn deine Daten missbraucht werden?
Dazu kommt: Einige Autohersteller arbeiten eng mit Tech-Konzernen wie Google, Amazon oder Microsoft zusammen. Sprachsteuerungssysteme wie Alexa oder Google Assistant landen direkt im Auto. Was zunächst praktisch klingt, bedeutet: Dein Auto wird Teil eines permanenten Abhörsystems – direkt mit der Cloud verbunden.
Und was ist mit deiner Privatsphäre?
Innenraumkameras, die erkennen, ob du müde bist oder nicht angeschnallt, analysieren deine Bewegungen und Mimik. Was passiert, wenn diese Bilder eines Tages gegen dich verwendet werden – etwa bei einem Unfall, einem Versicherungsfall oder einer Strafverfolgung? Was, wenn dein Fahrzeug nicht mehr dir gehört, sondern einem digitalen Kontrollsystem, das jederzeit auf deine Daten zugreifen kann?
Kritik & Datenschutz
Viele dieser Systeme sind ständig aktiv und senden teils Daten an die Hersteller (z. B. Tesla), was zu Datenschutzbedenken führt – insbesondere wenn Gesichtserkennung und Innenraumüberwachung betroffen sind.
Brauchen wir wirklich 10 Kameras – oder ist das längst mehr Überwachung als Schutz?
Sicherheit ist wichtig – doch sie darf nicht zur Eintrittskarte für Totalüberwachung werden. Die zunehmende Technologisierung unserer Fahrzeuge wirft fundamentale Fragen auf:
- Wollen wir wirklich, dass jedes Auto ein mobiles Datencenter wird?
- Wer profitiert am meisten von dieser Entwicklung?
- Und wann haben wir aufgehört zu fragen, ob wir das überhaupt wollen?
Vielleicht ist es an der Zeit, auch beim Autofahren wieder mehr auf Bewusstsein statt auf Algorithmen zu setzen. Denn Freiheit beginnt dort, wo du wieder selbst entscheidest – auch über deine Daten.
Schlussfolgerung
Autos haben sich von reinen Fortbewegungsmitteln zu digitalen Datensammlern auf Rädern entwickelt. Sensoren, Kameras, Mikrofone, GPS und fest verbaute SIM-Karten schaffen eine Infrastruktur, die einerseits echte Vorteile bietet – etwa sofortige Unfallhilfe oder Komfortfunktionen durch vernetzte Dienste. Doch diese technische Entwicklung ist nicht neutral: Sie fügt sich nahtlos in größere gesellschaftliche und politische Konzepte wie Geofencing, 15-Minuten-Städte oder die Sustainable Development Goals ein. Was unter dem Banner von Sicherheit, Nachhaltigkeit und Effizienz verkauft wird, kann – wenn unreflektiert hingenommen – auch Teil eines umfassenden Kontrollsystems sein. Ohne eine breite gesellschaftliche Debatte über Transparenz, Datensouveränität und individuelle Freiheit, bleibt die Frage offen: Wer profitiert wirklich von der ständigen Vernetzung – und wer wird überwacht?
Symbolbild: freepik.com
