Für viele ist WLAN ein alltäglicher Komfort, das Smartphone ständiger Begleiter, und das Smart Home ein Versprechen von Effizienz. Doch für eine wachsende Zahl an Menschen ist all das eine tägliche Herausforderung – oder sogar eine Qual. Sie reagieren empfindlich auf elektromagnetische Felder (EMF), ob durch Mobilfunkmasten, WLAN-Router, Bluetooth oder Hochspannungsleitungen. Man spricht von elektromagnetischer Hypersensibilität (EHS).
Betroffene beschreiben Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Herzrasen, Konzentrationsstörungen, Schlaflosigkeit, Kribbeln oder Brennen auf der Haut – sobald sie elektromagnetischen Quellen ausgesetzt sind. Manche spüren es schon, wenn sie in die Nähe eines Handys kommen. Für viele von außen Unsichtbar, ist der Alltag für EHS-Betroffene oft geprägt von Isolation, Missverständnissen und sozialem Rückzug.
Die offizielle Schulmedizin erkennt die Erkrankung bislang nicht als klar definierte Diagnose an – obwohl Studien Hinweise auf biologische Wirkmechanismen liefern und Betroffene weltweit ähnliche Symptome schildern. Ein Teil der Wissenschaft diskutiert oxidative Zellprozesse, Calciumkanal-Störungen oder die Wirkung gepulster Felder auf Nervenzellen als mögliche Ursachen. Dennoch werden viele Elektrosensible als psychisch labil abgestempelt oder belächelt.
Um sich zu schützen, ziehen sich manche in abgelegene Gebiete zurück – sogenannte White Zones, also funkfreie Zonen ohne Mobilfunkabdeckung, WLAN oder Stromleitungen. Orte wie Green Bank in West Virginia (USA), ein Funkstille-Gebiet wegen eines großen Radioteleskops, sind bekannte Rückzugsräume für EHS-Betroffene geworden. Auch in Schweden gibt es Regionen mit strengen EMF-Grenzwerten, da das Land EHS unter bestimmten Umständen offiziell anerkennt.
In verschiedenen Ländern entstehen Selbsthilfegruppen, Online-Foren und sogar Gemeinschaften, in denen Betroffene sich gegenseitig unterstützen. Hier wird mit Abschirmkleidung, geerdeten Wohnräumen, metallbeschichteten Farben und harmonisierenden Technologien experimentiert. Auch Naturmaterialien und bewusste Entschleunigung spielen eine große Rolle.
Die Existenz elektrosensibler Menschen stellt eine grundlegende Frage: Wie viel unsichtbare Technologie verträgt ein menschlicher Organismus? Und wer trägt Verantwortung dafür, wenn ganze Teile der Bevölkerung aus ihrem Alltag gedrängt werden?
Vielleicht ist EHS nicht nur ein gesundheitliches Thema, sondern auch ein Weckruf – dafür, wie stark moderne Technologie auf unser biologisches System wirkt. Und wie wenig Rückzugsräume es noch gibt, wenn alles „vernetzt“ ist.
Zukunftsfrage:
Wenn unser Planet vollständig verstrahlt ist – wo finden wir dann noch Stille? Nicht nur im Außen, sondern auch im Körper?
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