In einer Welt, die sich zunehmend nach Sinn, Tiefe und Wahrheit sehnt, hat auch die Spiritualität ihren festen Platz gefunden. Retreats, Onlinekurse, Heilerausbildungen und Lichtarbeit boomen. Doch auch hier, wo eigentlich Herz, Demut und Verbundenheit regieren sollten, zeigt sich oft ein altes, vertrautes Muster: das Ego. Getarnt im Gewand der Erleuchtung.

Das „Spiritual Ego“ ist besonders tückisch, weil es nicht laut und offensichtlich daherkommt – sondern subtil, sanft und scheinbar lichtvoll. Es sagt nicht „Ich bin besser“, sondern: „Ich bin weiter.“ Es bewertet nicht offen, sondern mit einem wissenden Lächeln. Es schließt aus – ohne Schuld, aber mit vermeintlicher kosmischer Logik: „Du schwingst (noch) nicht hoch genug.“ Oder: „Du bist noch nicht auf dieser Frequenz.“

Was früher Karriereleitern und Statussymbole waren, sind heute Lichtkörper, Dimensionstore, Aura-Sehen, vergangene Inkarnationen oder Zugang zu „höheren Wesen“. Der spirituelle Weg wird zur Bühne, zur Profilierungsfläche – und in manchen Kreisen sogar zu einer Art Wettbewerb. Wer ist „erwachter“? Wer hat mehr Seelenreisen gemacht? Wer kennt die geheimsten galaktischen Wahrheiten?

Dabei wird übersehen: Wahre Spiritualität ist keine Leistung. Kein Wissen, das man anhäuft. Kein Ticket in eine elitäre Seelengemeinschaft. Sie ist ein Weg der Hingabe, der Demut, der Authentizität – oft still, unspektakulär, und frei von Vergleichen.

Doch in einer Gesellschaft, die vom Vergleichen geprägt ist, färbt selbst der spirituelle Raum damit ab. Plötzlich geht es nicht mehr darum, sich zu erinnern, wer man in Wahrheit ist – sondern darum, besser zu wirken als andere. Und das kann tiefe Verletzungen hinterlassen bei jenen, die auf der Suche sind, sich öffnen und dann Ablehnung erfahren – nur weil sie „noch nicht so weit“ sind oder sich nicht den gängigen Begriffen und Mustern unterwerfen.

Wahre Reife zeigt sich nicht im Vokabular, nicht im Besitz vermeintlicher Fähigkeiten – sondern in der Fähigkeit, einander in Liebe zu begegnen. Ohne Hierarchie. Ohne Abgrenzung. Ohne Lichtmasken.

Vielleicht ist es Zeit, die spirituelle Reise von jeglichem Wettbewerb zu befreien. Und zu erkennen: Jeder geht seinen Weg. Und keiner ist näher an der Quelle – als ein Herz, das sich wirklich öffnet.

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