Du stehst an der Bar. Die Musik ist laut, das Licht gedimmt, Menschen lachen, reden, trinken. Du bist Teil der Szene, aber ein Gedanke schwingt in dir: Will ich wirklich Alkohol – oder will ich einfach dazugehören?
Du bestellst einen Saft.
Der Barkeeper schaut kurz hoch. „In Kombination mit was?“, fragt er beiläufig, fast automatisch.
Du zögerst. „Nur Saft.“
Ein kurzer Moment der Irritation – kaum merklich, aber spürbar. Dann das Nicken, das Mixen, das Glas auf dem Tresen.
Es ist interessant, wie tief bestimmte Gewohnheiten in unserer Gesellschaft verankert sind. Alkohol zu bestellen gilt als normal. Es wird nicht hinterfragt. Es passt ins Bild. Es „funktioniert“. Wenn du jedoch bewusst eine andere Wahl triffst – etwas so Harmloses wie einen Saft – löst das bei manchen Menschen Verwunderung aus. Nicht weil sie dir Böses wollen, sondern weil du kurz das Muster unterbrichst. Und Muster schaffen Sicherheit.
Natürlich fragt der Barkeeper nicht nur aus Neugier. Wahrscheinlich denkt er an den Umsatz. Ein Cocktail bringt mehr ein als ein Orangensaft. Und mit einem höheren Betrag steigt oft auch das Trinkgeld. Zudem bestellen nun einmal die meisten Menschen Alkohol – also ist die Nachfrage nach etwas anderem die Ausnahme, nicht die Regel.
Aber: Dass 99 % der Menschen etwas tun, heißt noch lange nicht, dass es für dich stimmig ist.
Du darfst abweichen. Du darfst bewusst sein. Du darfst fühlen, was dein Körper, dein Geist und dein Herz gerade brauchen – und dementsprechend handeln.
Es bedeutet nicht, dass du „langweilig“ bist.
Es heißt nur, dass du wach bist.
Es gibt inzwischen viele alkoholfreie Alternativen, die nichts mit Verzicht zu tun haben. Alkoholfreie Cocktails – kreativ, geschmackvoll und leicht.
Vielleicht spürst du: Ich will heute ganz bei mir bleiben. Klar. Wach. Im Moment.
Und genau darin liegt Kraft.
Denn jedes Mal, wenn du eine Entscheidung triffst, die deinem Inneren entspricht – auch wenn sie dem äußeren Rahmen widerspricht – stärkst du deine eigene Frequenz. Du wirst zum Sender. Und vielleicht, ganz vielleicht, fragt der Nächste, der hinter dir steht, dann auch: „Gibt’s das auch alkoholfrei?“
Ist es nicht bemerkenswert – oder vielleicht sogar beunruhigend –, dass das, was dich schwächt, als völlig normal gilt? Alkohol, der deine Wahrnehmung trübt, deinen Körper belastet und dich von dir selbst entfernt, wird nicht nur akzeptiert, sondern oft sogar gefeiert. Es ist gesellschaftlich eingebettet, erwartbar, nahezu ritualisiert.
Doch wenn du etwas bestellst, das dich nährt, das deinen Körper unterstützt, deinen Geist klar hält – einen frisch gepressten Saft, ein stilles Wasser, einen grünen Smoothie –, dann wirst du schnell schief angeschaut. Belächelt. Hinterfragt.
Was sagt das über unsere kollektive Ausrichtung aus?
Wie verdreht muss eine Kultur sein, in der Selbstschädigung als Zugehörigkeit gilt und Selbstfürsorge als Sonderbarkeit?
Vielleicht ist gerade deine Entscheidung, bewusst zu wählen, der leise Aufstand, den es braucht.
Bild: freepik.com
