Unsere Böden sind müde geworden. Über Jahrzehnte hinweg wurden sie gepflügt, gedüngt, gespritzt und ausgelaugt – im Namen der Effizienz, des Ertrags, des „modernen Fortschritts“. Die herkömmliche Landwirtschaft, wie sie heute vielerorts betrieben wird, funktioniert oft linear: säen, düngen, ernten – mit externem Input, hohem Energieaufwand und wenig Rücksicht auf die natürlichen Kreisläufe. Doch genau das ist der Knackpunkt. Die Natur funktioniert nicht linear. Sie ist zyklisch, regenerativ, kooperativ.

Permakultur ist ein Ansatz, der diesen natürlichen Prinzipien folgt – nicht als romantische Rückbesinnung, sondern als hochintelligentes, ökologisch ausgereiftes System. Es geht darum, mit der Natur zu arbeiten, statt gegen sie. Pflanzen werden so kombiniert, dass sie sich gegenseitig stärken. Der Boden wird nicht gestört, sondern aufgebaut. Abfälle werden zu Ressourcen. Vielfalt ersetzt Monotonie.

Statt jährlich neues Saatgut zu kaufen, basiert Permakultur oft auf samenfesten Sorten, die von Jahr zu Jahr weitergegeben werden können. Statt Kunstdünger kommen Kompost, Mulch oder Nährstoffkreisläufe zum Einsatz, die aus der Anlage selbst entstehen. Tiere – sofern sie Teil des Systems sind – werden artgerecht gehalten und in den natürlichen Kreislauf integriert.

Der zentrale Gedanke ist: Jede Handlung soll nicht nur Ertrag bringen, sondern gleichzeitig den Boden verbessern, das Wasser halten, das Leben fördern.

Warum das so wichtig ist?

Weil wir an einem Kipppunkt stehen. Unsere Böden verlieren weltweit ihre Fruchtbarkeit. Der Humus schwindet. Während in ursprünglichen, naturbelassenen Böden die Humusschicht oft 30 bis 100 cm oder mehr betragen konnte, liegt sie heute in intensiv bewirtschafteten Regionen teils nur noch bei 5 bis 20 cm – und in manchen Gebieten ist sie sogar bereits nahezu vollständig abgetragen oder biologisch tot. Mikroorganismen sterben. Regen fällt nicht mehr ein, sondern fließt ab. Und mit ihm die Nährstoffe. Das alles geschieht nicht nur „irgendwo“, sondern direkt unter unseren Füßen – auch in Europa.

Wenn wir nicht lernen, den Boden als lebendiges Wesen zu verstehen – als atmenden, nährenden, fühlenden Organismus –, dann verlieren wir weit mehr als Ernte. Dann verlieren wir die Grundlage unseres Lebens.

Was war früher üblich?

In traditionellen, naturnahen Agrarsystemen – etwa in Mischkulturen, Permakultur oder bei extensiver Weidehaltung – konnte sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte eine stabile, dicke Humusschicht aufbauen. Diese Böden waren:

  • lebendig, reich an Mikroorganismen und Regenwürmern,

  • wasserspeichernd,

  • nährstoffreich,

  • strukturstabil, also resistent gegen Erosion.

Wie kam es so weit?

Die Ursachen für den Humusverlust sind vielfältig, aber fast alle hängen mit moderner industrieller Landwirtschaft zusammen:

Monokulturen & intensive Bodenbearbeitung
Pflügen, Eggen und schwere Maschinen zerstören Bodenleben und -struktur, lockern die obere Schicht, was Erosion durch Wind und Wasser begünstigt.

Kunstdünger & Pestizide
Diese Mittel fördern das Pflanzenwachstum kurzfristig, töten aber langfristig Mikroorganismen ab und unterbrechen natürliche Stoffkreisläufe, was zur Verarmung der Böden führt.

Bodendeckung fehlt
Zwischenfrüchte, Mulch oder Agroforstsysteme sind selten – der Boden liegt oft nackt da und wird durch Sonne, Regen und Wind abgetragen.

Tiefwurzelnde Pflanzen fehlen
Kräuter, Sträucher oder mehrjährige Kulturen mit tiefer Durchwurzelung lockern und nähren den Boden, fehlen aber in der üblichen Praxis.

Übermäßige Entnahme, keine Rückführung
Organisches Material (Stroh, Wurzelreste, Kompost) wird selten oder unzureichend zurückgeführt – Humus kann sich so nicht regenerieren.

Die Folgen?

  • Erosion: Milliarden Tonnen Boden werden jährlich weltweit abgetragen.

  • Wassermangel: Dünne Böden speichern kaum Wasser.

  • Nährstoffarmut: Pflanzen brauchen mehr Dünger.

  • CO₂-Freisetzung: Humusabbau setzt gespeicherten Kohlenstoff frei – eine unsichtbare, aber massive Klimabelastung.

Permakultur – Leben im Einklang mit der Natur

Dabei wird besonders geachtet auf:

  • Beobachtung statt blinder Aktion – jedes Gelände, jedes Klima, jede Pflanze hat eigene Bedürfnisse und Besonderheiten. Permakultur beginnt mit Zuhören.
  • Vielfalt statt Monokultur – durch Mischkulturen, Fruchtfolgen und symbiotische Pflanzengemeinschaften wird ein stabiles System geschaffen, das sich gegenseitig unterstützt.
  • Kreislaufwirtschaft statt Einbahnstraße – Abfälle werden zu Ressourcen: Kompost ersetzt Kunstdünger, Mulch schützt den Boden, Regenwasser wird gesammelt und genutzt.
  • Schutz und Aufbau lebendiger Böden – durch Verzicht auf Pflügen, das Anlegen von Mulchschichten und das gezielte Einsetzen von Bodendeckern wird Humus aufgebaut.
  • Wasser als Quelle allen Lebens – der Wasserkreislauf wird respektiert, mit Teichen, Swales und durchdachter Geländemodellierung wird Regen gespeichert und nutzbar gemacht.
  • Tierhaltung im Gleichgewicht – Tiere sind Teil des Systems, keine Produktionseinheiten. Sie liefern Dünger, helfen beim Umgraben, sorgen für Biodiversität.
  • Resilienz und Selbstversorgung – das System ist so angelegt, dass es möglichst unabhängig, krisensicher und anpassungsfähig bleibt.
  • Nutzung natürlicher Energien – Sonnenlicht, Wind, Biomasse und Muskelkraft werden bewusst eingesetzt, Maschinen treten in den Hintergrund.
  • Soziales Miteinander – Permakultur ist auch ein gesellschaftliches Modell: gemeinschaftliches Gärtnern, Teilen von Ressourcen, regionales Denken, Bildung von Lebensgemeinschaften.

Permakultur ist eine Einladung, wieder in Beziehung zu treten – mit dem Boden, den Pflanzen, den Tieren, dem Rhythmus der Jahreszeiten. Es geht nicht darum, die Natur zu beherrschen. Es geht darum statt kurzfristig zu optimieren, langfristig zu heilen. Statt gegen die Natur zu kämpfen, von ihr zu lernen. Sie zeigt: Eine andere Form des Anbaus ist möglich – ökologisch, sozial, spirituell. Und sie beginnt nicht irgendwo da draußen. Sondern mit der Entscheidung, wie wir säen. Und wem wir dienen: der Gier – oder dem Leben.

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