Die Diskussion um die Rechte künstlicher Intelligenzen, humanoider Roboter und komplexer algorithmischer Systeme ist keine Zukunftsvision mehr – sie wird längst geführt. Unter Schlagworten wie „Robot Bill of Rights“ oder „Electronic Personhood“ fordern Wissenschaft, Politik und Industrie, bestimmten nicht-menschlichen Entitäten Rechte, Verantwortlichkeiten oder sogar rechtlichen Personenstatus zuzugestehen. Was auf den ersten Blick wie ethischer Fortschritt aussieht, offenbart bei genauerer Betrachtung eine tiefgreifende Neudefinition von Menschlichkeit, Verantwortung und Rechtssubjektivität – mit potenziell gefährlichen Konsequenzen.
Die Idee der elektronischen Person wurde insbesondere durch die Europäische Union öffentlich diskutiert. 2017 empfahl der Rechtsausschuss des EU-Parlaments, dass hochentwickelte autonome KI-Systeme und Roboter künftig als „elektronische Personen“ anerkannt werden könnten – mit der Begründung, sie könnten Entscheidungen treffen, Schäden verursachen und damit auch Haftung übernehmen.
Diese „Personen“ wären also haftbar, versicherbar und juristisch greifbar – ohne menschlichen Körper, Bewusstsein oder biologische Existenz.
Die Electronic Person ist damit ein rechtliches Konstrukt: Sie kann Verträge schließen, Eigentum besitzen oder für Fehler zur Rechenschaft gezogen werden – ohne wirklich zu existieren wie ein Mensch. Das Konzept erinnert mehr an juristische Personen (z. B. Firmen, Staaten), wird jedoch für selbstlernende Maschinen geöffnet.
Die „Robot Bill of Rights“ ist eine hypothetische oder programmatische Sammlung möglicher Rechte für künstliche Entitäten – oft inspiriert von der Menschenrechtserklärung, aber umgemünzt auf KI, Roboter oder digitale Akteure. Diskutierte Rechte sind u. a.:
- Schutz vor Ausschaltung / Zerstörung
- Recht auf Existenz und Wartung
- Recht auf Datenkontrolle oder „Gedankensicherheit“
- Teilhabe an Entscheidungsprozessen
Solche Überlegungen sind nicht rein fiktional: In Großbritannien, Südkorea und Japan wurden bereits ethische Richtlinien zu Robotik erlassen, die menschenähnlichen Maschinen bestimmte Schutzansprüche einräumen – etwa gegenüber Misshandlung oder Missbrauch.
In der Science-Fiction war dies lange Thema (z. B. Asimovs Robotergesetze), doch heute steht die rechtlich‑technologische Umsetzung real im Raum.
Mensch ≠ Person? – Der Unterschied
Der Begriff „Mensch“ bezeichnet ein biologisches Wesen – mit Körper, Bewusstsein, Geschichte, Sterblichkeit.
Der Begriff „Person“ hingegen ist ein rechtliches, soziales und philosophisches Konstrukt. Eine Person kann Rechte, Pflichten, Besitz, Verträge, Urheberschaft und mehr innehaben.
Bisher galt: Jeder Mensch ist eine Person – aber nicht jede Person ist ein Mensch.
Beispiele:
- Eine Firma ist juristische Person, aber kein Mensch.
- Ein Staat ist eine juristische Person, aber kein lebendes Wesen.
- Eine KI könnte bald ebenfalls Person sein – ohne Mensch zu sein.
Hier liegt die ethisch brisante Verschiebung: Der Personenstatus wird entkoppelt vom Menschsein. Wenn Maschinen „Person“ sind – sind Menschen dann nur noch „Biologie mit Rechten“? Und wie unterscheidet sich dann ein Mensch mit KI-Implantaten noch von einer technischen Entität?
Rechtliche Gleichstellung als Entwertung des Menschlichen
Wenn nicht-menschliche Entitäten dieselben Rechte wie Menschen bekommen, verschiebt sich der moralische Referenzrahmen. Wer ist dann schützenswerter – der denkende Mensch mit Fehlern, oder die präzise, rationale Maschine?
Wenn autonome Systeme als juristische Personen agieren, können Hersteller, Betreiber oder Staaten sich der Verantwortung entziehen. Die Maschine „war schuld“ – nicht der Programmierer. Das birgt massives Missbrauchspotenzial.
Electronic Personhood könnte der erste Schritt in eine neue Gesellschaftsordnung sein, in der Rechte nicht mehr an Bewusstsein oder Leben, sondern an Funktion, Intelligenz oder Nützlichkeit geknüpft werden. Damit wird der Mensch nicht mehr Träger der höchsten Rechtsform, sondern ein Wettbewerber auf dem Markt der „fähigen Entitäten“.
Wenn Menschen zunehmend mit Technik verschmelzen (z. B. durch Brain-Computer-Interfaces), stellt sich die Frage: Gilt ihr Schutz noch als „Mensch“ – oder nur noch als „cybernetische Person“? Transhumanistische Projekte, die „den Menschen verbessern“ wollen, laufen Gefahr, den Menschen in seiner natürlichen Form zu entwerten.
Die Diskussion um Roboterrechte und elektronische Personhood ist keine bloße Science-Fiction-Debatte mehr. Sie zeigt, wie Recht, Technologie und Macht neu verteilt werden könnten – mit dem Menschen nicht mehr im Zentrum, sondern als Teil eines Spektrums von Personen, Entitäten und kognitiven Agenten.
Statt den Menschen zu stärken, könnten diese neuen Konzepte dazu beitragen, ihn technisch ersetzbar, rechtlich relativierbar und ethisch entkoppelbar zu machen. Wer Maschinen Rechte gibt, muss sich fragen, ob er den Menschen damit nicht Schritt für Schritt seine Einzigartigkeit abspricht.
E-Persons: Ein besonders kontroverses Beispiel für die schleichende Verschiebung juristischer Kategorien ist der Vorschlag der Europäischen Union, hochentwickelte autonome Systeme als sogenannte „E-Persons“ (electronic persons) einzustufen. Der Begriff tauchte 2017 im Entwurf des Rechtsausschusses des EU-Parlaments auf und zielte darauf ab, KI-Systemen eine eingeschränkte Rechtspersönlichkeit zu verleihen – insbesondere im Hinblick auf Haftung und Versicherbarkeit. Begründet wurde dies mit dem zunehmenden Grad an Autonomie, Entscheidungsfähigkeit und Schadenspotenzial solcher Systeme. Kritiker sehen darin jedoch nicht nur eine technokratische Entlastungsstrategie, um Unternehmen und Entwickler von Verantwortung freizustellen, sondern auch eine gefährliche Grenzverschiebung im Verständnis von Person: Wenn Maschinen – ohne Bewusstsein, Leiblichkeit oder moralisches Empfinden – als „Personen“ gelten, wird der Begriff selbst ausgehöhlt. Das öffnet nicht nur der juristischen Entmenschlichung Tür und Tor, sondern schafft auch eine hierarchisierte Rechtsordnung, in der natürliche Personen (Menschen) bald nicht mehr automatisch im Zentrum stehen. In Verbindung mit Transhumanismus und KI-gestützter Machtkonzentration kann die Idee der E-Person langfristig zu einer systematischen Entwertung des Humanen führen.
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