Es ist nicht der Lärm allein, der ermüdet. Es ist das, was darin mitschwingt: Ignoranz, Rücksichtslosigkeit, Getrenntheit. Wenn Menschen mitten in der Nacht telefonieren, als wären sie allein auf der Welt. Wenn der Fernseher in Kinolautstärke ganze Stockwerke beschallt, als wäre Lautstärke gleichbedeutend mit Leben. Wenn Gespräche am Straßenrand geführt werden wie Debatten in einer Arena – laut, grell, durchdringend – ohne jedes Gespür für den Raum, den andere vielleicht brauchen. Wenn das Radio zum Dauerbegleiter wird, nicht aus Freude, sondern um das eigene Innen nicht hören zu müssen – selbst wenn der Inhalt aus seelischer Perspektive eine Zumutung ist. Dann ist es nicht nur der Schall, der den Körper belastet, sondern das Energiefeld der Gedankenlosigkeit, das sich wie eine schwere Decke über das kollektive Nervensystem legt.
Gerade feinfühlige Menschen leiden unter dieser Dichte. Nicht, weil sie schwach wären, sondern weil sie noch fühlen, was längst viele verlernt haben. Weil sie Resonanzräume in sich tragen, in denen das Leben leise, achtsam, liebevoll klingt – und in denen jedes übertönte Geräusch wie ein Schlag wirkt. Was für den einen Unterhaltung ist, kann für den anderen eine Form subtiler Gewalt sein.
Wenn Rücksichtslosigkeit zum Normalzustand wird, wenn Ego sich ungehindert ausdrückt, ohne Bewusstsein für das Du, dann wird die Gesellschaft krank – nicht nur psychisch, sondern auch körperlich. Denn der Körper reagiert auf mehr als Dezibel. Er spürt Disharmonie, er hört, was zwischen den Zeilen mitschwingt: das Unverbundensein, die Abwesenheit von Achtsamkeit, die verlorene Kunst des Miteinander.
Lärm – gleichgültig welcher Art – ist nicht nur ein Geräusch. Er ist Ausdruck eines Innen, das sich nicht kennt. Und einer Gesellschaft, die verlernt hat, dass Leben Raum braucht – Stille, Rückzug, Nacht. Und den Respekt, dass nicht alle gleich ticken. Doch es ist nicht unsere Aufgabe, alle zu erziehen. Es ist auch nicht unsere Pflicht, all das stumm zu ertragen. Es ist unsere Verantwortung, Grenzen zu setzen, wo wir sonst zerfasern – und unsere Energie zu schützen, wo sie sonst unaufhörlich abfließt.
Rücksicht ist kein Luxus. Sie ist ein Zeichen von Bewusstsein. Und wo dieses fehlt, darfst du klar sein. Klar in deinen Worten. Klar in deinen Handlungen. Und klar in deiner Entscheidung, dich nicht selbst aufzugeben, nur weil andere taub geworden sind für das Feine.
Denn manchmal macht nicht der Lärm krank – sondern die Erkenntnis, wie weit sich viele Menschen vom Mitgefühl entfernt haben. Und genau deshalb ist es so wichtig, dass du bleibst, wie du bist: wach, fühlend, leise verbunden. Nicht als Widerstand gegen die Welt – sondern als Erinnerung daran, dass es auch anders geht.
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