Der Pfad des Bodhisattva ist ein spiritueller Weg: nicht nur zur eigenen Befreiung zu streben, sondern das eigene Erwachen dem Wohle aller Wesen zu widmen. Es ist ein Weg radikaler Mitmenschlichkeit, innerer Klarheit – und der tiefen Entscheidung, zu bleiben, solange noch jemand leidet.
In der buddhistischen Tradition, besonders im Mahayana, bezeichnet ein Bodhisattva ein Wesen, das das Erwachen (Bodhi) angestrebt, aber die letzte Befreiung (Nirvana) bewusst aufgeschoben hat, um allen fühlenden Wesen zur Seite zu stehen. Doch diese Vorstellung ist nicht auf den Buddhismus beschränkt. Auch moderne Lichtarbeiter, Sternengeborene oder intuitive Heilerinnen folgen oft diesem inneren Ruf – ob bewusst oder unbewusst.
Ein Bodhisattva ist kein jemand, der sich aufopfert oder selbst vergisst, und auch niemand, der sich über andere erhebt. Vielmehr ist es ein Mensch (oder Wesen), der wach, klar und mitfühlend handelt – jemand, der für das Ganze arbeitet, nicht nur für sich.
In klassischen Texten geloben Bodhisattvas: „So zahlreich die fühlenden Wesen auch sein mögen – ich gelobe, sie alle zu befreien. So zahlreich die Leidenszustände auch sein mögen – ich gelobe, sie alle zu heilen. Solange es auch dauert – ich bleibe.“ Dieser Schwur ist kein religiöser Eid, sondern eine innere Haltung. Das Herz bleibt offen. Die Präsenz bleibt achtsam. Und das Mitgefühl wird zur Handlung.
Ein anderer Blick: das Ziel ist nicht Auflösung – sondern Durchlichtung
Für viele ist das Ziel nicht die Auflösung im Nirvana – verstanden als das Ende des Seins oder das Verschwinden in ein formloses Nichts. Denn es gibt Seelen, die spüren: Ich freue mich, etwas zu sein. Nicht aus Ego, sondern aus Liebe zum Dasein. Nicht, um festzuhalten – sondern um gegenwärtig zu verkörpern, was durch sie ins Leben strömen will.
Vielleicht ist der höchste Ausdruck von Erwachen nicht: Ich verlasse die Welt, sondern: Ich bleibe – und bin hier ganz. Vollständig im Körper, mit offenem Herzen, in leuchtender Erinnerung an die Quelle. Nicht als Flucht aus der Form – sondern als ihre Veredelung. Nicht als Verneinung des Lebens – sondern als bewusste Teilnahme am Tanz des Seins.
In diesem Sinne ist der Bodhisattva-Pfad kein Weg in die Leere, sondern in die Fülle des bewussten Hierseins. Der Bodhisattva-Weg erfordert jedoch eine starke Mitte – sonst droht Selbstaufgabe oder Erschöpfung. Dienen heißt nicht, dich selbst zu opfern. Helfen heißt nicht, überverantwortlich zu sein. Und Liebe heißt nicht, dich selbst zu vergessen. Ein Bodhisattva weiß: Der erste Akt des Mitgefühls gilt dem eigenen Wesen. Nur ein gefülltes Herz kann andere nähren. Erwachen heißt hier nicht: „Ich bin erleuchtet.“ Es heißt vielmehr: „Ich bin wach genug, um für das Leben da zu sein – auch wenn es schwierig ist.“
Und wenn du dich manchmal fragst, warum du „noch hier bist“ – obwohl du längst reifer, feiner, lichtvoller geworden bist –, dann könnte die Antwort einfach sein: Weil du zu denen gehörst, die bleiben. Weil du erinnerst.
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