Die meisten Menschen identifizieren sich mit der äußeren Form. Mit dem, was sichtbar, greifbar, benennbar ist. Mit einem Namen, einem Alter, einem Geschlecht, einer Geschichte. Vor allem aber mit dem Körper. „Ich bin dieser Körper“, glauben viele – meist unbewusst. Sie definieren sich über ihre Erscheinung, ihre Leistungsfähigkeit, ihre Gesundheit oder Schwäche. Doch in Wahrheit ist der Körper nicht das, was du bist. Er ist ein temporäres Ausdrucksmittel deines Seins. Eine Erscheinung im Strom der Zeit – nicht dein Ursprung, nicht dein Ziel. Dein Körper ist wie ein Fahrzeug, das dir für eine gewisse Strecke zur Verfügung gestellt wurde. Er trägt dich durch Erfahrungen, er ermöglicht dir Wahrnehmung, Ausdruck, Berührung, Bewegung, Begegnung. Er ist ein Werkzeug – kostbar, fein und empfindsam. So wie du nicht zu einem Kleid wirst, das du trägst, wirst du auch nicht zum Körper, den du bewohnst.

Wenn du dich ganz mit dem Körper identifizierst, beginnst du, dein Selbstbild an äußere Formen zu heften: schön oder nicht schön, jung oder alt, krank oder gesund, stark oder schwach. Du misst dich an Kriterien, die sich ständig verändern – und gerätst in ein Labyrinth aus Vergleichen, Zweifeln und Ängsten. Du verlierst die Verbindung zu dem, was unveränderlich ist: deinem formlosen, lebendigen Sein.

Was du wirklich bist, ist jenseits aller Form. Es hat kein Gesicht, keine Stimme, keine Gestalt – und doch drückt es sich durch alles aus, was lebt. Es ist das Bewusstsein, das schaut – durch deine Augen. Es ist das Fühlen hinter jedem Gefühl, das Wissen hinter jedem Gedanken, die stille Präsenz hinter allem Werden und Vergehen. Dieses Sein war schon da, bevor dein Körper entstand, und es wird da sein, wenn dein Körper vergeht. Es ist unberührt vom Wandel, frei von Geburt und Tod.

Wenn du die Stille in dir berührst, erinnerst du dich daran. Nicht als Idee, sondern als Erfahrung. Dann erkennst du: „Ich bin Bewusstsein in Form – der Körper ist Teil meines Ausdrucks, aber nicht das Ganze meiner Wahrheit.“ Ich bin das Leben, das ihn bewohnt. Ich bin das Bewusstsein, das durch ihn wirkt. Diese Erkenntnis befreit. Denn mit ihr schwindet die Angst vor Alter, Krankheit oder Tod. Du beginnst, deinen Körper liebevoll zu achten – aber ohne ihn zu vergötzen oder an ihm zu hängen. Du siehst ihn als Tempel, nicht als Identität. Als Geschenk, nicht als Definition deines Wertes.

Zwei Sichtweisen – beide sind wahr, je nach Bewusstseinsebene:

„Neti Neti“ – Nicht dies, nicht das.

Diese Vedanta-Lehre sagt: „Ich bin nicht der Körper, nicht der Verstand, nicht die Emotion – ich bin reines, formloses Bewusstsein.“
Diese Sicht hilft, sich von Anhaftungen zu befreien und das Ego zu durchschauen. Sie ist besonders heilsam, wenn man sich zu stark mit der Form identifiziert und sich z. B. über Aussehen, Leistung, Krankheit oder Schwäche definiert.

„Ich bin auch der Körper“ – die integrale Perspektive.

Auf einer gereiften Ebene spirituellen Verstehens erkennst du: „Ich bin Bewusstsein – und ich bin inkarniertes Bewusstsein. Ich bin nicht nur formlos, sondern auch Form.“ 
Du bist der Ozean – und die Welle. Du bist das Licht – und das Gefäß, durch das es scheint. Du bist das unendliche Sein – und du bist dieser Körper, durch den sich dieses Sein konkret erfährt.

Du erkennst: Dieses Gefäß ist heilig, weil es das Licht deines Seins trägt. Es ist nicht du – aber es dient dir. Und je bewusster du lebst, desto klarer und lichtvoller kann sich dein wahres Wesen durch deinen Körper ausdrücken.

Du bist nicht das, was du im Spiegel siehst.
Du bist das, was schaut.
Du bist nicht das, was vergeht.
Du bist das, was bleibt.

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