Stell dir vor, du gehst durch deine Wohnung, vielleicht mit einer Tasse Tee in der Hand, gedankenverloren, barfuß, unbeobachtet. Oder doch nicht? Denn das, was wir einst als Schutzraum betrachteten – unser Zuhause, unser Rückzugsort – könnte sich längst in ein stilles Überwachungsfeld verwandelt haben. Und zwar nicht durch Kameras oder Mikrofone, sondern durch etwas, das fast jeder täglich benutzt: WLAN.

Was nach Science-Fiction klingt, ist bereits Realität. Die neue Technologie mit dem harmlos klingenden Namen WhoFi – ein Kunstwort aus Wi-Fi und Who – wurde an der Universität La Sapienza in Rom entwickelt. Sie ermöglicht es, Menschen allein anhand ihrer Interaktion mit Wi-Fi-Signalen zu identifizieren und zu verfolgen. Ohne Kameras. Ohne Licht. Ohne Einverständnis.

Das System analysiert, wie dein Körper die drahtlosen Signale reflektiert und verzerrt – wie eine Art digitaler Schatten deiner selbst, der sich durch den Raum bewegt. Das Erschreckende: Diese Signatur ist individuell, eindeutig – und offenbar so einzigartig wie dein Fingerabdruck. Kleidung, Raumteiler oder geschlossene Türen? Kein Hindernis. WhoFi erkennt dich trotzdem – mit einer Genauigkeit von über 95 Prozent.

Was wie eine technische Spielerei klingt, ist in Wahrheit ein stiller Paradigmenwechsel. Denn diese Methode funktioniert passiv und unsichtbar, im Hintergrund – dort, wo du es weder bemerkst noch verhindern kannst. Wer sich in einem Raum mit WLAN aufhält, kann prinzipiell geortet werden – selbst wenn er keine Geräte bei sich trägt. Die Anwesenheit allein reicht.

Offiziell ist es nur ein Forschungsprojekt, ein „Proof of Concept“. Doch wer mit wachem Geist und offenem Herzen durch diese Zeit geht, weiß: Was technisch machbar ist, wird früher oder später auch angewendet – oft im Namen der Sicherheit, meist ohne Bewusstsein für die Folgen.

Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Art der Kontrolle – einer, die nicht mehr sichtbar, sondern fühlbar ist, wenn wir denn hinspüren. Während viele Menschen sich freiwillig von Smartphones, Smartwatches oder Fitnesstrackern begleiten lassen, reichen künftig vielleicht schon die eigenen Körperbewegungen, um dich eindeutig zu identifizieren – durch die Wand, durch Kleidung, durch dein eigenes Zuhause hindurch.

Der Gedanke ist beunruhigend. Doch er lädt uns auch ein, bewusster hinzusehen: Wohin entwickelt sich unser Umgang mit Technologie? Welche Art von Zukunft bauen wir uns – und vor allem: Wer steuert diese Entwicklung?

Vielleicht geht es weniger darum, gänzlich auf Technik zu verzichten – sondern vielmehr darum, sie wieder in den Dienst des Lebens zu stellen, anstatt das Leben an die Technik auszuliefern. Es braucht Klarheit, Aufklärung und den Mut, unbequeme Fragen zu stellen: Wem dient diese Technologie? Wer hat Zugang dazu? Und vor allem: Wer schützt unsere menschliche Würde in einer Welt, in der Unsichtbares zur Waffe werden kann?

Bild: freepik.com | Artikel