Geofencing klingt zunächst harmlos, fast praktisch: Eine virtuelle Grenze wird um ein geografisches Gebiet gezogen, und sobald ein Gerät – meist dein Smartphone – diese Grenze betritt oder verlässt, wird eine bestimmte Aktion ausgelöst. Eine Push-Nachricht, eine Warnung, eine automatische Sperrung oder Freigabe von Funktionen. In der Logistik und im Marketing längst etabliert, hat sich diese Technologie jedoch still und leise auch in andere Lebensbereiche ausgebreitet – mit teils beunruhigenden Konsequenzen.
Denn was passiert, wenn Geofencing nicht mehr nur informiert, sondern kontrolliert?
Beispiel: In China sind bestimmte Städte mit Geofencing-Zonen versehen, in denen dein Social Credit Score Einfluss darauf hat, ob du dich bewegen darfst. In Indien wurde während der Pandemie eine App entwickelt, die Bürger alarmierte – oder isolierte – wenn sie sich außerhalb eines erlaubten Radius bewegten. In den USA verwenden Polizei und Behörden diese Technologie bereits zur Strafverfolgung: Wer sich „zur falschen Zeit am falschen Ort“ aufhielt, wird automatisch in Datenbanken erfasst – auch ohne aktive Schuld.
Was sich daraus ergibt, ist ein unsichtbarer Zaun. Eine stille Kontrolle, die nicht auf physischen Barrieren beruht, sondern auf der ständigen Ortung deines digitalen Ichs. Du siehst ihn nicht, du hörst ihn nicht – aber er wirkt. Überall dort, wo GPS, WLAN, Bluetooth und mobile Daten genutzt werden, ist Geofencing möglich. Und das bedeutet: Fast überall.
Die große Gefahr liegt in der Normalisierung.
Wenn du es akzeptierst, dass deine Bewegungen getrackt, bewertet und begrenzt werden, gewöhnst du dich an etwas, das eigentlich untragbar ist. Die Freiheit, dich zu bewegen, wann und wohin du willst, wird damit nicht nur technisch überwachbar – sondern politisch steuerbar.
Was, wenn Geofencing mit digitalen IDs verknüpft wird? Was, wenn dein Zugang zu bestimmten Stadtteilen, Gebäuden oder Geschäften nur noch mit entsprechender „digitaler Freigabe“ erlaubt ist? Was, wenn eine Regierung entscheidet, dass „unerwünschte“ Bürger den Radius ihrer Wohnung nicht mehr verlassen dürfen?
Von der Komfortzone zur Kontrollzone ist es nur ein Klick.
Geofencing ist Teil eines größeren Trends – der räumlichen Digitalisierung des Lebens. Mit Smart Cities, autonomer Verkehrssteuerung und personalisiertem Konsum wird ein Raster errichtet, das mit jeder Schnittstelle mehr Macht über dein Verhalten erhält.
Was kannst du tun?
- Deaktiviere Standortfreigaben, wenn sie nicht nötig sind.
- Verwende Geräte, die dich nicht dauerhaft orten.
- Reflektiere kritisch über Apps und Dienste, die Standortdaten abfragen – wofür und warum?
- Unterstütze dezentrale Technologien, die ohne zentrale Kontrollpunkte auskommen.
Denn eines ist klar:
Je mehr Kontrolle über deine Bewegung automatisiert und ausgelagert wird, desto weniger Raum bleibt für dein freies, unüberwachtes Leben. Und gerade dieser Raum ist essenziell – für Selbstbestimmung, echte Freiheit und menschliches Sein.
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