Wenn Katastrophen eintreten – sei es durch Naturgewalten, Brände, Überschwemmungen oder menschengemachte Krisen – liegt der Fokus meist auf der Rettung menschlichen Lebens. Was dabei oft übersehen wird: Millionen von Nutztieren und Haustieren bleiben zurück. Eingesperrt in Ställen. Angekettet in Höfen. Hilflos ausgeliefert – weil sie nicht in Evakuierungspläne integriert sind.

In der industriellen Tierhaltung zeigt sich dieses Problem besonders drastisch. Kühe, deren Euter über Jahrzehnte hinweg auf maximale Milchproduktion gezüchtet wurden, müssen regelmäßig maschinell gemolken werden. Bleibt das aus – etwa in einer Evakuierung – droht ein schmerzhafter Tod durch Euterentzündung oder Kreislaufversagen. Diese Tiere wurden zu funktionalen Hochleistungsmaschinen umgezüchtet, die ohne menschliches Eingreifen nicht überlebensfähig sind. Ihre natürliche Resilienz wurde ihnen genommen – ersetzt durch wirtschaftliche Effizienz.

Auch Hühner, Schweine, Kaninchen und Masttiere in Hallenhaltungen haben keine Chance zur Flucht. Sie sitzen in Massenunterkünften ohne Ausweg. Viele sterben qualvoll – nicht nur durch Feuer oder Wasser, sondern durch Hitze, Hunger, Verdursten oder Panik.

Noch trauriger: In Notlagen gibt es oft keine offiziellen Pläne, wie mit diesen Tieren umzugehen ist. Die Infrastruktur ist auf ihren Profit ausgerichtet – nicht auf ihr Wohlergehen. Oft wird stillschweigend akzeptiert, dass Tierleben geopfert werden, sobald sie nicht mehr systemdienlich zu „nutzen“ sind.

Doch auch Haustiere sind betroffen. In vielen Notunterkünften oder Fluchtrouten sind Tiere nicht erlaubt. Menschen müssen sich entscheiden: Mitnehmen oder zurücklassen? Viele lassen ihre Vierbeiner im Schock zurück – oft mit schwerem Herzen. In Katastrophenregionen berichten Tierschutzorganisationen immer wieder von Hunden, Katzen, Vögeln oder Pferden, die tagelang ums Überleben kämpfen – oder verhungern.

Diese Ungleichbehandlung offenbart eine tiefere Frage: Was ist uns tierisches Leben eigentlich wert?
Sind Tiere nur Wirtschaftsfaktor? Oder fühlen wir auch eine ethische Verantwortung, sie in unsere Notfallvorsorge miteinzubeziehen?

Vielleicht ist es Zeit, auch in Krisensituationen ein neues Bewusstsein zu entwickeln. Denn wie wir mit den Schwächsten umgehen – in Momenten der Not – zeigt, wie stark unser Mitgefühl wirklich ist. Und ob wir bereit sind, eine Welt zu gestalten, in der jedes Leben zählt.

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