Was einst allen gehörte – das Saatgut der Erde –, wurde zu einem marktfähigen Gut gemacht. Seit den 1980er Jahren ist es multinationalen Konzernen wie Monsanto (heute Teil von Bayer) gelungen, patentiertes Saatgut auf den Weltmarkt zu bringen. Und damit ein Grundrecht in eine Ware zu verwandeln: die Fähigkeit, Nahrung selbst anzubauen.

Durch gezielte gentechnische Veränderung von Pflanzen – z. B. um sie resistenter gegen Pestizide wie Glyphosat zu machen – beanspruchen diese Konzerne das Recht auf geistiges Eigentum. Die Logik dahinter: Wer etwas „erschafft“, darf es auch schützen lassen. Doch was bedeutet das konkret?

Landwirte, die dieses patentierte Saatgut verwenden, dürfen es im Folgejahr nicht einfach wieder aussäen. Sie müssen es jedes Jahr neu kaufen – zusammen mit den dazugehörigen Pestiziden. Wer sich nicht daran hält, riskiert Klagen, wie zahlreiche Bauern weltweit erfahren mussten. In Indien und Nordamerika wurden Kleinbauern regelrecht in den Ruin getrieben, weil ihre Felder – teils ungewollt durch Windverwehung – gentechnisch kontaminiert wurden und sie deshalb wegen „Patentrechtsverletzung“ verklagt wurden.

Zwischen 1995 und 2014 haben sich laut offiziellen Daten des National Crime Records Bureau (NCRB) in Indien 296 438 Menschen aus dem Agrarsektor das Leben genommen – das umfasst Landwirte und landwirtschaftliche Hilfskräfte (wikipedia). Im Zeitraum von 2014 bis 2022 kamen weitere rund 100 474 hinzu.

Das Saatgut ist nicht mehr frei. Es ist gebunden – an Lizenzen, an Verträge, an Konzerne. Und damit wird der Kreislauf des Lebens in ein Geschäftsmodell umgewandelt. Wer das Saatgut kontrolliert, kontrolliert die Nahrung. Und wer die Nahrung kontrolliert, kontrolliert das Volk – sagte bereits H. Kissinger.

Das Argument der Konzerne: Gentechnik sorge für höhere Erträge, weniger Hunger, mehr Effizienz. Doch Studien und die Realität vieler Kleinbauern zeigen ein anderes Bild: Die Böden verarmen, die Abhängigkeit wächst, und die Vielfalt schrumpft.

Denn Hybrid- und Gentech-Saatgut ersetzt oft lokale, robuste Sorten. Was verschwindet, ist das uralte Wissen über samenfeste Pflanzen, regionale Anpassung und Kreislaufwirtschaft. Was entsteht, ist eine Monokultur – nicht nur auf dem Feld, sondern im Denken.

Die zentrale Frage bleibt: Wie konnte es so weit kommen, dass das natürliche Erbe der Menschheit – das Saatgut – rechtlich einem Konzern „gehört“?

Vielleicht ist es an der Zeit, dieses System zu hinterfragen. Und uns daran zu erinnern: Kein Mensch hat das Recht, Leben zu patentieren. Saatgut ist kein Produkt – es ist Ursprung, Vielfalt, Zukunft. Wer es schützt, schützt mehr als nur eine Pflanze – er schützt die Freiheit selbst.

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